In Zeiten des Fachkräftemangels wagen immer mehr Unternehmen den Schritt ins Ungewisse. Sie engagieren Personen als Führungskräfte, die von dem jeweiligen Fachgebiet wenig bis nichts wissen. Ein Wagnis? „Genau richtig“, sagt Thomas Bockholdt, Managing Partner im Hamburger Büro der InterSearch Executive Consultants GmbH.
Sich für Quereinsteiger:innen zu entscheiden, erfordert eine offene Unternehmenskultur. „In Deutschland ist die Bereitschaft mittlerweile gezwungenermaßen etwas größer, aber grundsätzlich liegen wir noch immer weit hinter Ländern wie den USA“, sagt Bockholdt. Dort sei es normal, dass Lebensläufe nicht geradlinig verlaufen und eine Fachkraft nicht immer nur in ihrem Spezialgebiet arbeitet.
Doch hierzulande gesellt sich gleich und gleich noch immer gern. Wer beispielsweise einen Nachfolger für das eigene Unternehmen sucht, will, dass der- oder diejenige ein ähnliches Profil hat wie man selbst. Das schränkt nicht nur die Erfolgsaussichten bei der Kandidat:innenauswahl ein. „Man wiegt sich damit vermeintlich in Sicherheit, weil man glaubt, wer das schon mal woanders gemacht hat, kann es auch wirklich“, erklärt Bockholdt. Dabei sei es riskant so zu denken, in Zeiten, in denen sich sehr viel ändere und ändern müsse. Das Risiko, nichts zu gestalten, sieht Bockholdt größer als die Gefahr, mit einem Quereinstieg zu scheitern. Denn wer immer nur versucht, Fehler zu vermeiden, entwickelt sich nicht weiter.
Personen, welche die immer gleichen Aufgaben und Themen schon oft bearbeitet haben, könnten in einem Silodenken verhaftet sein. Die notwendigen Veränderungen fallen dann nicht so leicht, ein frischer, unverbrauchter Blick kann hier hilfreich sein. Dazu kommt: Nur, weil man das fachliche Wissen hat, ist man noch keine gute Führungskraft.
Statt sich am Können und dem Kandidatenprofil zu orientieren, solle man heutzutage die Positionsnachbesetzung als Chance begreifen und sich besser am Veränderungsbedarf orientieren, rät Bockholdt. „Das Unternehmen muss dann darauf vertrauen, dass der Neuling sein vorhandenes Wissen nutzen und auf die neue Situation anwenden kann und sich das notwendige fachliche Wissen erarbeitet.“ Heißt: Eine enge Begleitung während des Onboarding-Prozesses ist notwendig, das Team muss fachlich entsprechend aufgestellt sein. Klar, dass Führungswille, Persönlichkeit, Ausstrahlung und Gestaltungswille ganz oben im Lastenheft stehen. Fehlt es (noch) an fachlichem Wissen, muss die Persönlichkeit umso mehr punkten.
Unternehmen könnten beispielweise ihre bereits vorhandenen Onboarding-Prozesse für Quereinsteiger modifizieren, um ein schnelles Reinwachsen zu ermöglichen, schlägt Bockholdt vor.
Entscheidet man sich für einen Quereinsteiger als Führungskraft, sollten diese Entscheidung, der Auswahlprozess und die Einarbeitungsphase gut begleitet und dokumentiert sowie gemessen werden, empfiehlt Bockholdt. Falls das Vorhaben scheitert, wissen beim nächsten Auswahlprozess alle Beteiligten, woran und warum es gescheitert ist. Sonst könnte es sein, dass man dieses Wagnis langfristig nicht mehr eingeht.