Schon manch ein Unternehmen hat es leidvoll erfahren: Eine C-Level-Stelle soll neu besetzt werden. Alle wollen mitreden, keiner will entscheiden. Der Prozess verzögert sich. Die aussichtsreiche und top-qualifizierte Kandidatin will nicht länger hingehalten werden und sagt ab.
Uneinigkeit beim Auftraggeber als größte Gefahr
„Am schlimmsten ist es, wenn es beim Auftraggeber keine Einigkeit zur strategischen Ausrichtung des Unternehmens gibt“, sagt Thomas Bockholdt, Managing Partner im Hamburger Büro der InterSearch Executive Consultants GmbH. Und: „Es gibt immer noch die eine oder andere Firma, die glaubt, so attraktiv zu sein, dass sie sich einen langwierigen Rekrutierungsprozess leisten kann.“
Da die meisten Besetzungen im Bereich Executive Auswirkungen auf die strategische Ausrichtung des Unternehmens hätten, sei es wichtig, dass diese Strategie feststehe. Also sollten Fragen wie „Was will man bewirken und inwiefern passt die Person dazu?“ geklärt sein. „Wenn es darüber keinen Konsens gibt, gefährdet das den gesamten Prozess“, so Bockholdt. Der wird dann verschleppt, auch die Kandidat:innenseite merkt natürlich, dass etwas nicht stimmt und wendet sich ab.
Dabei ist der Rekrutierungsprozess Bockholdt zufolge die erste Arbeitsprobe, die das Unternehmen Kandidat:innen gegenüber abgibt. Denn diese Vorgänge zeigen, wie Entscheidungsprozesse auch im Allgemeinen im Unternehmen laufen. „Aus dem Prozess lernt man als Kandidat:in eine ganze Menge, etwa über die Interaktion der Stakeholder, Machtverhältnisse oder das Miteinander“, zählt Bockholdt auf. Umso wichtiger ist es, dass hier alles stimmt.
Prozess auf Augenhöhe
„Der Entscheidungsprozess muss von vornherein aus der Perspektive der Entscheider:innen und des Kandidaten oder der Kandidatin gedacht werden“, sagt Bockholdt. Das bedeute, auch bei den Vorgängen im Unternehmen die Entscheidung der Kandidat:innen stets mit zu berücksichtigen. Als Personalberater, der einen solchen Prozess begleitet, sei es seine Aufgabe, einen Ablauf zu gestalten, der für beide Seiten logisch und schnell sei und alle nötigen Informationen enthalte.
Kandidat:innen müssen laut Bockholdt den Eindruck haben, dass die Entscheidung konsequent geplant wurde, es keine überflüssigen Runden gibt und nichts fehlt. Die Abstände zwischen den einzelnen Schritten müssen kurz sein, um die Spannung aufrechtzuerhalten und das Interesse des Unternehmens zu dokumentieren.
Nadelöhr Entscheider:innen?
Aber wer ist die Engstelle in den Prozessen? Sind es stets die Entscheider:innen? Zumindest sind sie diejenigen mit dem größten zeitlichen Engpass. Wichtig sei, dass die Entscheider:innen am Anfang dabei seien, um zu definieren, welche Person benötigt wird, rät Bockholdt. Außerdem sind sie am Ende gefragt, wenn es darum geht, wen man tatsächlich nimmt. „Zwischendrin gilt es, diejenige oder denjenigen zu entlasten, also zeitlich so wenig wie möglich zu belasten.“ Dafür brauche es im Unternehmen eine Person, die alles steuert.
Im Bereich Public, wo häufig viele Entscheider:innen beteiligt sind, haben sich die Prozesse mittlerweile beschleunigt, berichtet Bockholdt. „Man hat verstanden, wie der Markt ist und dass sich die Prozesse nicht hinziehen dürfen.“
Bockholdts Erfahrung: „Die besten Entscheidungen werden dann getroffen, wenn möglichst viele Meinungen einbezogen und reflektiert wurden.“ Objektiv zu sein, obwohl Menschen beteiligt sind, sei unmöglich. Deshalb sei es wichtig, unterschiedliche Perspektiven in Betracht zu ziehen.