KI-basierte Personalsuche ist ein klares Wachstumsthema im Executive Search. Mit zunehmender Entwicklung und Verfeinerung der Technologie ergeben sich auch neue Anwendungsbereiche. „Die Software wird immer intelligenter und kann Personalberater:innen ausgezeichnet unterstützen“, sagt Thorsten Brunsemann, Client Partner bei InterSearch Executive Consultants am Standort Frankfurt. Er sieht großes Zukunftspotenzial für seine Branche, erkennt aber auch einige Hürden, die noch überwunden werden müssen.

Wo wird KI in der Personalsuche eingesetzt?

Künstliche Intelligenz im Recruiting wird zukünftig beispielsweise sehr genau die Wechselbereitschaft einer Person vorhersagen können. Schon heute sind die Algorithmen der bekannten Professional Social Networks sehr nah an den User:innen dran und bewerten relativ akkurat, wie offen sie für eine Ansprache sind. Diese Bewertung basiert unter anderem darauf, wie oft der Job gewechselt wurde, wie lange man beim aktuellen Arbeitgeber ist und wie mit Stellenanzeigen auf der Plattform interagiert wird. Im Executive Search ist KI heute schon in den Bereichen Research und Informationsgewinnung aktiv, wo sie passende Kandidat:innen identifiziert und vorselektiert. Das spart Zeit im Suchprozess und erhöht idealerweise die Bewerbungsrate, was es den Berater:innen ermöglicht, sich eher auf die zwischenmenschlichen Aspekte zu konzentrieren.

Menschliche Kompetenz bleibt entscheidend

So sehr KI den Suchprozess in der Anfangsphase auch unterstützen kann: Bei Personalentscheidungen haben immer noch die Expertise und Empathie des Menschen Vorrang. Das bedeutet konkret, dass die KI hier nicht das letzte Wort haben wird. „Menschliche Kompetenz, die Berater:innen bleiben die zentrale Entscheidungsträger:innen“, sagt Brunsemann. Auch die individuelle Ansprache der Kandidat:innen liege weiterhin bei den Berater:innen. „Wir haben einen klaren Führungs- und Fachkräftemangel, insbesondere in engen Themenfeldern wie Cyber Security, IT und seit der Corona-Pandemie sogar im Bereich HR. Die Vorstellung, dass man sich durch Massen von geeigneten Kandidat:innen kämpfen muss, entspricht nicht mehr der Realität. Viel eher besteht sie aus sehr wenigen Kandidat:innen, die von einem Menschen persönlich überzeugt und für ein Unternehmen begeistert werden müssen“, erklärt er. Chatbots werden im Executive Search Prozess aktuell kaum genutzt um Kandidat:innen möglichst direkt die Chance zu geben den oder die Berater:in zu kontaktieren.

Kommunikation findet von Mensch zu Mensch statt

Die Kommunikation mit den Kandidat:innen muss immer auf Augenhöhe erfolgen. Insbesondere bei Expert:innen und Führungskräften und generell bei Suchprozessen auf dem Executive Level sei die KI nicht mehr hilfreich, sobald es in den persönlichen Kontakt ginge. „Berater:innen müssen selbst Teil der Community sein und sie auch in der Tiefe verstehen. Ich muss erkennen, welche Unternehmen und Projekte für die Kandidat:innen in dieser Community wirklich interessant sind und wie ich die Talente individuell anspreche. Das kann aktuell keine künstliche Intelligenz leisten“, erklärt Brunsemann. Das persönliche Netzwerk der Berater:innen und die Empfehlungen von Kontakten seien immer noch unabdingbar. „Kandidat:innen sind nach meiner Erfahrung zu 100 Prozent gesprächsbereit, wenn ein Kontakt über gemeinsame Bekannte zustande kommt. Der Trust-Faktor ist bei Karriereentscheidungen immer noch enorm wichtig“, sagt Brunsemann. Die Wechselbereitschaft läge in solchen Fällen auch eher im oberen Drittel und häufig passe auch die fachliche Qualifikation sehr gut. Auch das Kundenmanagement könne man selbstverständlich nicht an eine KI outsourcen.

Viele Kunden haben kein Bewusstsein für KI, aber die Akzeptanz im Management steigt

„Die Akzeptanz bei Führungskräften für KI-gestützte Suchprozesse steigt gerade merklich“, sagt Brunsemann. Kund:innen sind häufig noch nicht so vertraut mit dem Thema und vor allem die Unterscheidung zwischen Recruiting Automation, Robotic Process Automation (RPA), Machine Learning, Algorithmen und künstlicher Intelligenz sei nicht allgemein bekannt. Insbesondere in der sogenannten „Old Economy“ gäbe es aktuell wenig Bewusstsein und auch kaum Nachfrage nach KI-gestützten Suchen. Kund:innen wünschen sich aber in allen Branchen „speed and quality“. Diese Erwartungshaltung setzt eigentlich die Nutzung von KI im initialen Suchprozess voraus.

KI muss datenschutzkonform arbeiten können

Es gibt auch noch andere Hürden, die es zu überwinden gelte: „Der Datenschutz, der für Personalberater:innen natürlich die Grundlage für ein Vertrauensverhältnis zu Kund:innen und Kandidat:innen ist, kann KI-basierte Tools theoretisch auch einschränken“, merkt Brunsemann an. Aber die Technik ist den Regulierungen eigentlich immer ein paar Schritte voraus und findet neue Möglichkeiten, DSGVO-konform Daten zu erheben. Unter anderem wird es zukünftig mehr technische Opt-In-Lösungen – ausdrückliche Zustimmungsverfahren – geben.

KI ist nicht unfehlbar und braucht geschulte Anwender

KI ist vor allem in der Anfangsphase nicht unfehlbar und hat oft Probleme, Begrifflichkeiten und Suchwörter trennscharf zu identifizieren. „Ein gutes Beispiel ist das Schlagwort Risk Management. Der Begriff wird in den Branchen Health Care, Versicherungen und Financial Services komplett unterschiedlich verwendet. Recruiter müssen sehr genau verstehen, worum es geht, um die KI auf den richtigen Weg schicken zu können. Dazu brauchen sie auch die nötige technische Kompetenz. Zudem sind KI-Entwickler sind nicht unbedingt Fachleute in der Personalgewinnung“, sagt Brunsemann.

Die Zukunft von KI im Executive Search

Viele Executive Search-Unternehmen befinden sich aktuell noch in einem Lernprozess. Insbesondere bei langjährigen Mitarbeitenden muss die Akzeptanz für den Einsatz von KI noch geschaffen werden. Junge Recruiter sind da schon weiter, aber müssen im Gegenzug verstehen, dass Empathie, Expertise und Kommunikation elementar für exzellente Executive Search sind. Brunsemann fügt hinzu: „Wir machen aktuell die Erfahrung, dass unsere eigenen Kandidat:innen voraussetzen, dass mit KI-gestützten Prozessen gearbeitet wird. Die Nutzung von künstlicher Intelligenz ist also auch ein Attraktivitätsfaktor für die eigenen Mitarbeiter:innen und vor allem nachwachsende Talente.“